©Daniela Bär/Schweiz Tourismus

«Als Medienkonsument wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten»

5 Fragen an Daniela Bär von Schweiz Tourismus

bluereport.net
blueReport Monitoring
5 min readFeb 3, 2015

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Daniela Bär, Leiterin Internationale Medienarbeit und Unternehmenskommunikation bei Schweiz Tourismus gibt uns im Interview spannende Einblicke, wie die Medien- und Kommunikationsarbeit der nationalen Schweizer Tourismusorganisation organisiert ist, welchen Platz Social Media im Marketingmix haben und weshalb eine handgeschriebene Karte immer noch wertiger ist als ein Tweet. Und natürlich wollten wir erfahren, welche Implikationen der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Euro-Mindestkurs aufzuheben, auf die Kommunikations- und Marketingstrategie von Schweiz Tourismus hat.

blueReport: Sie sind Leiterin Internationale Medienarbeit und Unternehmenskommunikation und ausgewiesene Kennerin der Schweizer Medien- und Marketinglandschaft. Seit längerem findet die Verlagerung von analogen Inhalten in digitale Formate statt. Die Verschiebung des Werbemarktes setzt traditionelle Medien und klassische Verlagshäuser unter Zugzwang. Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Trends, wo geht die Reise hin?

Daniela Bär: Die Blogosphäre — das Gesamtnetzwerk von Blogs — drängt in die Räume der klassischen Medienarbeit. Social Media mit all ihren Ausgestaltungen und beeindruckenden Wachstumsraten flankieren diese Entwicklung. Dies löst die bisher relativ starre Abgrenzung zwischen den einzelnen Medienarten auf, gleichzeitig steigt die Relevanz der Mehrgeräte-Nutzung: von Computer und Tablets über Smartphones bis zum herkömmlichen Fernsehen und Online-TV. Alles wird mobiler, die Bilder werden vermehrt bewegt, dies auf Kosten von Text- und Audioformaten. Stichwort «too much information»: Als Medienkonsument wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Hier setzt Schweiz Tourismus alles daran, unseren Gästen sogenannten «trusted content» bereitzustellen. Inhalte also, die für die Reise-Inspiration und -planung relevant und ehrlich und zugleich von hoher Qualität sind. Dabei haben Social Media ihren festen Platz im gesamten Marketingmix von Schweiz Tourismus und nehmen strategisch entscheidende Funktionen wahr. Nicht zuletzt auch im Rahmen der Krisenkommunikation, bei der Social Media zugleich anspruchsvoll zu bedienen sind, aber auch Chancen für die rasche und glaubwürdige Kommunikation darstellen.

Jeder Trend hat bekanntlich einen Gegentrend. Wir möchten mit der aktuellen Entwicklung Schritt halten und gleichzeitig die Gegentrends nicht aus den Augen verlieren. Anstelle von Vernetzung und Online-Kommunikation wird das persönliche, auf Verständigung ausgerichtete Gespräch wieder wichtiger. Zwischenmenschliche Beziehungen stellen geschätzte Alternativen oder zumindest Ergänzungen zur rein instrumentellen, relativ anonymen Netzwerkkommunikation dar. Je ausgeprägter die Technologisierung wird, desto wertvoller kann eine Rückbesinnung auf die Ursprünge der Kommunikation sein: eine von Hand geschriebene Karte ist noch immer wertiger als ein Tweet.

Die Entscheidung der SNB, den Mindestkurs des Schweizer Frankens abrupt aufzuheben hat in der Medienwelt für ein mittleres Erdbeben gesorgt. Neben der Exportwirtschaft leidet insbesondere auch der Schweizer Tourismus unter dem starken Franken. Drängen sich aufgrund dieser doch ziemlich unerwarteten und plötzlichen Änderung mitten in der wichtigen Wintersaison kurz- bis mittelfristig Anpassungen an der Kommunikations- und Marketingstrategie von Schweiz Tourismus auf? Wenn ja, welche?

Wenn sich wichtige Rahmenbedingungen so schnell verändern, wie wir das jetzt miterleben, ist es ratsam, vor der Kommunikation besonnen die Strategie und Ausrichtung zu prüfen. Das Ergreifen geeigneter Massnahmen ist erst möglich, wenn wir sehen, wo sich die Währungsmärkte nach den ersten paar Wochen einpendeln. Wir führen derzeit Gespräche mit den relevanten Partnern wie den touristischen Dachverbänden, um mögliche Szenarien zu evaluieren. Anlässlich unserer Jahresmedienkonferenz vom 23. Februar in Zürich werden wir in der Lage sein, Aussagen zur Situation im Schweizer Tourismus sowie zu geplanten Massnahmen zu treffen.

Im Media Newsroom von Schweiz Tourismus nehmen Social Media News einen gewichtigen Stellenwert ein. Sie bespielen dabei laufend diverse Plattformen mit verschiedensten Inhalten. Welche Rolle spielen die verschiedenen Social Media-Kanäle für Ihre Kommunikation und welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Präsenz auf Facebook, Pinterest oder Twitter?

Die Social Media-Kanäle, auf die wir setzen, sind integraler Bestandteil des ST-Kommunikationsmixes. Sie fügen sich nahtlos in die Strategie der Produktkommunikation — also im Bereich Promotion –, der Unternehmenskommunikation mit den Disziplinen Medienarbeit und Krisenkommunikation sowie des Customer Care ein und bedienen deren Anforderungen flexibel und in Echtzeit. Dabei steht jeweils ein fein abgestimmtes, sensibles Rücklaufmanagement im Zentrum, das den Dialog — quasi das «Social» im «Media» — erst ermöglicht.

Schweiz Tourismus fördert seit bald 100 Jahren im Auftrag des Bundes die Nachfrage für das Ferien-, Reise- und Kongressland Schweiz im In- und Ausland. Dies tun wir seit 2006 auch über Social Media-Plattformen, darunter Facebook, Twitter und Pinterest. Damit möchten wir Vertrauen schaffen, einen offenen, lebhaften und unmittelbaren Dialog fördern, potenziellen und bestehenden Gästen einen einwandfreien Service bieten, dabei aber auch von ihnen lernen — vor allem aber ein Reisebegehren auslösen. Denn gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit gilt es, die Sehnsucht nach einzigartigen Ferienerlebnissen emotional anzusprechen. Hierzu eigenen sich Social Media hervorragend: inspirieren, träumen — und die Eindrücke der eigenen Ferien in der Schweiz sharen.

Was ist aktuell die größte Herausforderung in Ihrem Beruf?

Auf der Klaviatur der diversen Kommunikationskanäle die richtigen Akkorde spielen zu können. Dabei gilt es aber, selbst in dieser temporeichen Zeit die solide PR-Arbeit mit gutem Storytelling nicht zu vernachlässigen. Denn es gilt nach wie vor, sich in der täglichen Flut von News Gehör zu verschaffen.

Herausfordernd erachte ich für Schweiz Tourismus — einem Unternehmen, das international aufgestellt und in 27 Ländern präsent ist — die Orchestrierung einer «one voice»-Philosophie.

Eine weitere Herausforderung besteht in der Umsetzung einer guten Work-Life-Balance. In einem Beruf, wo News nie Feierabend haben und Dauerbereitschaft gefragt ist, stellt ein ausgeglichenes Verhältnis von Beruf und Privatleben die wohl wichtigste Ressource dar.

Welche Kommunikations-Skills müssen wir uns heute aneignen, um auch in fünf oder zehn Jahren noch erfolgreich kommunizieren zu können?

Trotz neuen Technologien — die Kernkompetenzen für gute PR-Arbeit bleiben die gleichen: analytische Fähigkeiten und Organisationstalent, konzeptionelle Fähigkeiten und eine gute Portion Kreativität, aber auch die Affinität für vernetztes, ganzheitliches Denken und ein kritisches Urteilsvermögen sind unabdingbar. Punkto ganzheitliches Denken: Hier schaden Grundkenntnisse in den Bereichen Recht, Volks- und Betriebswirtschaft, Politik, Soziologie und Kommunikationstheorie nie, ein solides Allgemeinwissen ist aber ein Muss. Da nichts so beständig ist wie der Wandel, muss man permanent auf Weiterbildung setzen und zumindest den Erstkontakt mit neusten Technologien nicht scheuen. Ein vertrauter Umgang mit der Schweizer Medienlandschaft bildet dabei den Grundstein für die ganze Kommunikationsarbeit. Und: Die Freude am Umgang mit Menschen — denn bei aller Technologisierung ist und bleibt Kommunikation ein «people business».

Mit der Reihe «5 Fragen an…» rückt blueReport die vielseitigen Herausforderungen unserer Kunden aus Kommunikation und Marketing in den Fokus. In loser Folge beantworten namhafte Kommunikations- und Marketingprofis aus Deutschland, der Schweiz und Österreich 5 Fragen zu brandaktuellen Themen der Kommunikationswelt.

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