© Manuel Puppis

Interview mit Prof. Dr. Manuel Puppis

Departementspräsident und Professor für Mediensysteme und Medienstrukturen am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung DCM der Universität Fribourg

bluereport.net
blueReport Monitoring
5 min readSep 7, 2016

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blueReport: Oft werden Studierende der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, der Medienwissenschaft oder Journalistik mit Fragen und Sprüchen konfrontiert wie «Was willst du denn damit machen?» oder «Damit kannst du doch später Nichts anfangen».
Was steckt hinter diesen Vorurteilen und was spricht gegen sie? Warum sind solche Studiengänge durchaus lohnenswert?

Manuel Puppis: Es kommt tatsächlich vor, dass entweder unseren Studierenden unterstellt wird, einfach «Etwas mit Medien» machen zu wollen oder generell die Sinnlosigkeit der Kommunikationswissenschaft behauptet wird. Der Ruf des Faches ist aber besser als es manchmal scheint. Unsere AbsolventInnen und unsere Forschung sind in der Medienbranche und in der Politik gefragt.

Die Vorurteile kommen teilweise daher, dass die Sozialwissenschaften oft generell skeptisch oder holzschnittartig betrachtet werden. Entweder wird fälschlicherweise angenommen, Politologen würden Politiker und Kommunikationswissenschaftler Journalisten oder Rhetoriktrainer. Mitunter wird der Nutzen der Sozialwissenschaften gegenüber den MINT-Fächern generell bezweifelt.

Doch auch wenn einige unserer AbsolventInnen gerne und erfolgreich in den Journalismus gehen: KommunikationswissenschaftlerInnen sind in ganz vielen Branchen zu finden, etwa im Medien- und Kommunikationsmanagement, in der PR, in der Verwaltung, in privaten Forschungsinstituten und natürlich auch an Universitäten. Die Arbeitslosenquote der AbsolventInnen der Sozialwissenschaften liegt sogar unter jener in den Naturwissenschaften.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Medien und Kommunikation ist aber nicht nur wichtiges Rüstzeug für individuelle Karrieren, sondern auch gesellschaftlich relevant. Klassische Massenmedien und «neue» Medien wie etwa Social Media spielen in modernen Gesellschaften eine zentrale Rolle. Und um die Gesellschaft zu verstehen und zu gestalten, braucht es Wissen darüber wie Medien funktionieren, weshalb der Journalismus in einer Krise steckt, wie Unternehmen und Politik PR betreiben und welche Wirkungen Medien auf Individuen, Gruppen und ganze Gesellschaften haben. Ein Studium der Kommunikationswissenschaft lohnt sich also auf jeden Fall.

Worauf sollte der Fokus der Ausbildung für die verschiedenen Kommunikationsberufe liegen?

Auch wenn unser Studiengang mit Blick auf den künftigen beruflichen Werdegang unserer AbsolventInnen entworfen wurde und bei uns auch praktische Kurse belegt werden können — beispielsweise zu Radio oder Onlinejournalismus — so bieten die Bachelor- und Masterprogramme am DCM in erster Linie eine wissenschaftliche Ausbildung. Unsere Studierenden lernen, mittels sozialwissenschaftlicher Theorien und Methoden, wichtige und spannende Aspekte von Medien und Kommunikation selbst zu erforschen und kritisch zu hinterfragen. Damit erwerben Sie Wissen und Kompetenzen, die in zahlreichen Berufsfeldern im Medien- und Kommunikationssektor gefragt sind. Wir sind daher davon überzeugt, dass eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung, die nicht nur das «how to», sondern auch das «why» vermittelt, höchst praktisch ist. Breites Wissen über die Medienlandschaft, methodische Fähigkeiten sowie Analyse- und Reflexionskompetenzen sind ein wertvolles Rüstzeug für eine Zukunft in Kommunikationsberufen. Und unsere Gesellschaft benötigt kompetente Kommunikationsprofis mehr denn je — wie sich gerade wieder in der Diskussion über die Qualität und Funktionalität des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs oder den Service public in der Schweiz zeigt.

Wie werden sich die Berufe bzw. Berufsbilder in der Medienbranche in Zukunft verändern? Auf welche Veränderungen müssen sich zukünftige Kommunikationsfachleute und Journalisten einstellen und welches Know-How wird von ihnen erwartet?

Grundsätzlich braucht es im Journalismus Fachwissen und handwerkliches Können. Die Aneignung von Fachwissen steht unter Druck, weil viele Medienhäuser auf ihren Redaktionen sparen. Für Spezialisierung und Recherche bleibt vielerorts zu wenig Zeit. Gerade online gibt es keinen fixen Redaktionsschuss, die Arbeit hat sich massiv beschleunigt. Auch das handwerkliche Können verändert sich: Zwar bleiben die grundlegenden Fähigkeiten gleich — eine Geschichte aufarbeiten und erzählen zu können. Doch erstens müssen JournalistInnen schon heute vielfach für mehr als nur einen Kanal arbeiten können. Zweitens braucht es ein Verständnis von Technologie. Nicht jede/r JournalistIn muss ein Programmierer werden, aber ein Grundverständnis der neuen technischen Möglichkeiten ist von Vorteil. Und drittens müssen sich JournalistInnen darauf einstellen, dass Medien sich Einwegkommunikation nicht länger leisten können. Die Kommunikation mit den NutzerInnen über Foren und Social Media gewinnt an Bedeutung. Und diese Veränderung betreffen nicht nur den klassischen Journalismus, sondern in dieser und ähnlicher Form auch die anderen Kommunikationsberufe.

Was sind langfristig die wichtigsten Impulse und Auswirkungen der Digitalisierung auf die Medienbranche? Wo sehen Sie aufgrund dieser Entwicklungen Chancen und Herausforderungen für die Zukunft der Medienbranche und des Journalismus?

Die Digitalisierung eröffnet zahlreiche spannende Möglichkeiten, um Geschichten besser zu erzählen. Multimedial aufbereitet, fundiert durch Daten und in Kollaboration mit den NutzerInnen kann Journalismus von dieser Konvergenz profitieren. Doch guter Journalismus braucht vor allem auch ausreichend Ressourcen: Gut ausgebildetes Personal, das über genügend Zeit verfügt um Geschichten zu recherchieren und interessant aufzubereiten, ist teuer. Das ist das grösste und auch ungelöste Problem der Medienbranche: Wie können Medien in Zukunft noch Geld verdienen?

Mit welchen Strategien lässt sich den medienethischen Konsequenzen, die aus der Ökonomisierung des Journalismus hervorgehen, entgegentreten?

Die Kommerzialisierung des Journalismus — etwas durch den Einfluss von Werbung auf die Berichterstattung oder die zahlreichen Sparrunden — ist problematisch. Medienethik ist sicher ein wichtiger Baustein, um dem Problem entgegenzutreten. Die Ausbildungsinstitutionen spielen hier eine wichtige Rolle. Gleichzeitig ist es auch an den Medienunternehmen selbst, durch Selbstverpflichtungen und Transparenz klare Verhältnisse zu schaffen. Aber Medienethik braucht allenfalls auch Unterstützung durch die Medienpolitik.

Wer finanziert den Qualitätsjournalismus der Zukunft?

Wer eine Antwort auf diese Frage hat, hat ausgesorgt. Tatsache ist: Werbung und NutzerInnen sind ins Internet abgewandert, und zwar zu Anbietern wie Suchmaschinen und sozialen Netzwerken, die selbst keine journalistischen Inhalte erstellen. Medienorganisationen sind immer mehr auf Facebook und Co. angewiesen, um die NutzerInnen zu erreichen. Damit verlieren sie aber auch die Kontrolle über die Distribution und Selektion der Inhalte. Natürlich werden Medienunternehmen auch künftig Einnahmen auf Werbemarkt (neue Onlinewerbeformen) und Lesermarkt (Paywalls) generieren. Daneben spielen auch Einnahmen aus neuen Geschäftsfeldern wie Onlinerubrikenmärkten und E-Commerce eine wichtige Rolle. Nur fliessen diese Einnahmen der Verlagshäuser nicht in den Journalismus. Stiftungsfinanzierung und Spenden werden wohl eher die Ausnahme bleiben. Und die Widerstände gegen Medienförderung sind in der Schweiz gross.

Wie müsste Ihrer Meinung nach der mediale Service public in der Schweiz ausgestaltet sein? Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Der Service public muss natürlich auch online tätig sein. Wer nicht online ist, hat keine Zukunft. Die Nutzung findet vermehrt on-demand und mobile statt, auch wenn uns lineares Radio und Fernsehen noch lange begleiten wird. Ein Service public muss innovativ sein dürfen und mit neuen Darstellungs- und Vermittlungsformen experimentieren können. Für die mobile Nutzung beispielsweise müssen Videobeiträge ganz anders aufbereitet werden als fürs klassische Fernsehen. Das heisst aber nicht, dass ein Service public einfach machen darf, was er will. Audio und Video müssen im Zentrum des Angebots stehen. Werbung sollte auch künftig nicht möglich sein. Und es gilt, Qualität zu liefern und auch bezüglich Datenschutz höhere Standards einzuhalten als kommerzielle Medienhäuser.

Ganz generell: Was war für Sie das herausragende Kommunikationsereignis der letzten 12 Monate?

Auf die Medienberichterstattung generell bezogen, dann wohl der Brexit und das Flüchtlingsdrama. Auf die Medienbranche bezogen: die anhaltende Debatte über die künftige Rolle der SRG.

Herzlichen Dank für das Interview!

Das Interview mit Herrn Puppis wurde im Sommer 2016 per eMail geführt und ist Teil unseres «digitalen Roundtables». Neben Prof. Dr. Manuel Puppis wurden ausserdem Sibylle Valeggia, Dr. Guido Keel, Diego Yanez und Prof. Dr. phil. Matthias Künzler befragt.

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