Reporter vor dem Mannheimer Landgericht am letzten Prozesstag im Fall Jörg Kachelmann [Bildquelle: Wikipedia]

«Litigation-PR» — Richtig kommunizieren, wenn die Justiz ermittelt

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Der Fall Kachelmann, die Verurteilung der Amerikanerin Amanda Knox oder die Anklage gegen Uli Hoeneß — Fälle wie diese finden in der Öffentlichkeit vermehrt Beachtung. Allgemein ist das Medieninteresse an Rechtsverfahren massiv angestiegen. Die öffentliche Berichterstattung über Rechtsfragen und Rechtsstreitigkeiten hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Aber nicht nur Personen sondern auch Unternehmen tragen Rechtsstreitigkeiten immer häufiger öffentlich aus.

Gerade bei medienwirksamen Rechtsverfahren wird Kommunikation zu einem wesentlichen Einflussfaktor in rechtlichen Konflikten. Viel zu schnell kommt es zu vorschnellen Verurteilungen im Gerichtssaal der Öffentlichkeit, so dass man auf eine professionelle PR-Betreuung in keinem Fall verzichten kann. Dies stellt Anwaltskanzleien vor neue Herausforderungen. Kenntnisse der Funktionsweise des heutigen Mediensystems sowie der professionelle Umgang mit dessen Spielregeln sind deshalb auch für juristische Fachpersonen unabdingbar.

Was ist Litigation-PR?

Wikipedia definiert «Litigation-PR» (zu Deutsch: strategische Rechtskommunikation oder prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit) als «eine Form der Pressearbeit, bei der die Kommunikation nach außen vor, während und nach juristischen Auseinandersetzungen gesteuert wird». Diese kommunikative Begleitung rechtlicher Auseinandersetzungen stammt ursprünglich aus den USA. Als Geburtsstunde der Litigation-PR gilt der in den 80er Jahren geführte Gerichtsprozess des US-Generals William Westmoreland gegen den TV-Sender CBS. Dieser warf dem Leiter der US-Armee in Vietnam vor, er habe die Zahlen der Kampferfolge geschönt um die Regierung von einem möglichen Sieg zu überzeugen. Mit John Scanlon hat CBS einen PR-Profi engagiert, der die Sicht des TV-Senders darstellte, die Medien mit Unterlagen versorgte und mit Journalisten diskutierte.
Im deutschsprachigen Raum ist das Phänomen der strategischen Rechtskommunikation noch relativ jung, gewinnt aber vermehrt an Bedeutung. Dies zeigen wie bereits eingangs erwähnt die zahlreichen Rechtsfälle und Gerichtsverfahren die zunehmend in der Öffentlichkeit ausgetragen werden.

Das A und O strategischer Rechtskommunikation

Roland Binz und Franco Gullotti, beides Berater für Rechts- und Krisenkommunikation und absolute Profis auf dem Gebiet, haben das Thema Litigation-PR in einem Fachartikel in der Schweizer Anwaltsrevue aufgegriffen. Obwohl der Artikel bereits vor sechs Jahren publiziert wurde, ist das Thema heute aktueller denn je, insbesondere im deutschsprachigen Raum, wo das Phänomen zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Nachfolgend haben wir für Sie die wichtigsten Punkte des Fachbeitrages zusammengefasst und zeigen auf, wozu es strategische Rechtskommunikation braucht, wie sie funktioniert und wie wichtig in diesem Zusammenhang eine professionelle Medienbeobachtung ist.

Roland Binz und Franco Gullotti, Experten für Krisen- und Rechtskommunikation

Wozu braucht es Litigation-PR?

Gullotti und Binz sind der Meinung, dass von einer geschickt durchdachten Rechtskommunikation sowohl die Klienten als auch die Anwaltskanzleien profitieren. Zum einen hat Litigation-PR natürlich das Ziel, die anwaltliche Strategie zu unterstützen und damit die Erfolgschancen in einem Rechtsverfahren zu steigern. Auf der Klägerseite zum Beispiel, indem öffentlich Druck auf den Angeklagten ausgeübt wird, in der Hoffnung, dass sich dieser eher auf eine außergerichtliche Einigung einlässt. Für den Angeklagten hingegen gilt es, möglichst glaubwürdig und nachhaltig die eigene Reputation zu schützen. Andererseits können Anwaltskanzleien Rechtskommunikation gezielt für Eigenwerbung nutzen und sich in der Öffentlichkeit profilieren, denn Anwälte werden heute am häufigsten im Zusammenhang mit konkreten Mandaten in den Medien zitiert.

6 Prämissen einer veränderten Medienwelt

Litigation-PR kann als Medialisierungseffekt und somit als Anpassung an die neuen Kommunikationsanforderungen der digitalen Mediengesellschaft angesehen werden. Rechtsanwälte, die aktiv und erfolgreich Litigation-PR betreiben möchten, müssen sich also den Abläufen und Anforderungen der heutigen Medienwelt bewusst sein. Gullotti und Binz konstatieren in diesem Zusammenhang sechs Prämissen für die heutige digitale Medienwelt, denen sich Anwaltskanzleien bewusst sein müssen:

  • wirtschaftlicher Druck:
    Verlagshäuser sind heute einem enorm großen wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Die Folgen: Konkurrenzkampf und Spardruck. Nur noch wenige Journalisten verfügen daher über ein solides juristisches Grundwissen. Für die juristische Medienarbeit ist dies Chance und Risiko zugleich: Auf der einen Seite steigt die Gefahr juristisch unkorrekter Berichterstattung aufgrund unzureichend informierter Journalisten, auf der anderen Seite sind Journalisten umso empfänglicher für gut aufbereitete und verständliche Informationen. Mit aktiver Litigation-PR haben Anwaltskanzleien also gute Chancen, die von ihnen gewünschten Argumente in die Medien zu bringen und so indirekt die Kommunikation zu steuern.
  • Dynamik:
    Nachrichten verbreiten sich heute in Sekundenschnelle und kennen weder Öffnungszeiten noch Zeitzonen. Der Kampf um exklusive Stories wird dadurch immer größer und das öffentliche Interesse an Rechtsstreitigkeiten nimmt zu, vor allem das Interesse an Unrecht. Solche Stories können schnell enorm reputationsschädigende Auswirkungen auf die Betroffenen haben.
  • Die Macht der Bilder:
    Bilder haben die Macht unser Fühlen und Denken zu beeinflussen. Sie erzeugen bleibende Eindrücke und lösen Emotionen wie Mitleid, Erbarmen, Wut, Unverständnis, etc. aus. Auch das sollte im Umgang mit den Medien, vor allem in der Rechtskommunikation, stets berücksichtigt werden.
  • Two-Way- statt One-Way-Kommunikation:
    Aufgrund der Digitalisierung hat sich die Kommunikation von einer Ein-Weg- zu einer Mehrweg-Kommunikation entwickelt. Das heißt die Medien stehen heute in einem ständigen Dialog mit ihren Rezipienten. Für die juristische Medienarbeit bedeutet das konkret: Einfach nur Informationen zu versenden, zum Beispiel in Form von Pressemitteilungen genügt nicht mehr. Anwaltskanzeilen müssen jederzeit reagieren können. Somit ist eine parallele Beobachtung der Umwelt in Form eines umfassenden Media Monitorings unabdingbar.
  • Der Memory-Effekt von Nachrichten:
    Das digitale Zeitalter vergisst nie (wir haben dazu berichtet). Noch Jahre später lassen sich Zeitungsartikel, Kommentare und Bilder im Internet finden. Ein moderne Kommunikation muss auf diese Umstände eingehen und die entsprechenden Maßnahmen bereit halten.
  • Social Media bestimmen die mediale Agenda:
    Heute gibt es praktisch täglich Geschichten, die ihren Anfang in den Social Media nehmen und von dort den Weg in die klassischen Medien finden. Für Medienschaffende sind Social Media deshalb eine wichtige Informationsquelle, die sie gerne auch als Recherchetool für neue Geschichten nutzen.

Kommunikationsinstrumente der Rechtskommunikation

In Bezug auf die PR-Instrumente, die der Rechtskommunikation zur Verfügung stehen, gleicht die Litigation-PR der klassischen Krisenkommunikation in vielerlei Hinsicht. Bei rechtlichen Verfahren werden jedoch die Kommunikationsinstrumente aus strategischen Gründen bewusst anders eingesetzt. Wichtig ist aber, genau wie bei der verwandten Krisenkommunikation auch, eine offene, glaubwürdige und zeitnahe Kommunikation:

  • Während in einer Krise die öffentliche Kommunikation ausschließlich über die Geschäftsführung erfolgen sollte, tritt in der Rechtskommunikation an Stelle einer Einzelperson oder eines Unternehmens immer deren Anwalt.
  • Kommunikation in einer Krise muss zeitnah erfolgen. In der Litigation-PR ist die Zeit ebenfalls ein entscheidender Faktor. Je schneller man handelt, desto wahrscheinlicher ist man mit der eigenen Meinung in der Öffentlichkeit vertreten. Nur so kann man dem Gegenspieler die Möglichkeit nehmen, mit widersprüchlichen Argumenten zu punkten.
  • Krisenkommunikation und auch strategische Rechtskommunikation müssen einfach und verständlich sein. Das heißt juristische Fachbegriffe müssen für die Öffentlichkeit nachvollziehbar dargelegt werden.

Media Monitoring in der Rechtskommunikation

Wir von blueReport sind uns den Herausforderungen, denen sich Anwaltskanzleien in Bezug auf die Rechtskommunikation stellen müssen, bewusst. Gezielte Präventionsmassnahmen, wie zum Beispiel ein professionelles Issue Management ermöglichen es, Krisensignale juristischer Auseinandersetzungen frühzeitig zu erkennen und entsprechend reagieren zu können. Und auch während laufenden Verfahren ist ein angemessenes Media Monitoring wichtig, um Themen und deren Entwicklung vorauszusehen und gegebenenfalls öffentlich darauf reagieren zu können. Genau hier liegt auch die Chance, Einfluss auf die Entwicklung des Themas zu nehmen und so die Reputation von Mandanten aktiv mitzugestalten.

Weitere Informationen zum Thema

Suchen Sie weitere Informationen zum Thema Litigation-PR, brauchen Sie Unterstützung bei der Ausarbeitung Ihrer juristischen Kommunikationsstrategie oder möchten Sie sich in einer Fachgruppe engagieren und/oder weiterbilden? Wenden Sie sich bitte direkt an eine der folgenden Organisationen/Institute:

Für Deutschland:

Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG):
Der Arbeitskreis Krisenkommunikation und Issue Management berät Sie gerne und gibt Ihnen Auskunft über weitere Anlaufstellen rund um die juristische Kommunikation.

Für Österreich:

LitCom:
In Österreich wurde 2013 von Kommunikations- und Rechtsexperten ein Verein gegründet der dem Thema Rechtskommunikation eine Plattform bietet. LitCom, hat sich zum Ziel gesetzt, die Professionalisierung und Weiterentwicklung der Litigation-PR in Österreich voranzutreiben und das Bewusstsein der Öffentlichkeit im Hinblick auf Rechtskommunikation zu stärken.

Für die Schweiz:

Im Rahmen des SIKK (Institut für Krisenkommunkation) leiten Roland Binz und Franco Gullotti ein Seminar, das die wesentlichen Fähigkeiten im öffentlichen Umgang mit rechtlichen Auseinandersetzungen vermittelt.
Für alle die Sich für das Thema Litigation-PR interessieren, möchten wir auch noch auf die Litigation-PR-Tagung vom 26. April 2017 in Winterthur verweisen.

Haben wir eine wichtige Anlaufstelle vergessen? Lassen sie es uns wissen! Für alle Fragen rund ums Thema Monitoring im Zusammenhang mit der strategischen Rechtskommunikation stehen Ihnen natürlich auch unsere Media Monitoring Consultants zur Verfügung.

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