Paywalls in der Übersicht

Wer setzt auf welche Bezahlmodelle für Medieninhalte

4 min readJan 11, 2017

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Medienunternehmen suchen weiterhin fieberhaft nach geeigneten Finanzierungsmodellen für hochwertigen, digitalen Journalismus. In der vordigitalen Print-Welt ließen sich die Ausgaben der Medienhäuser aus einer Kombination von Einkünften aus Werbe- (Inserate) und Lesermarkt (Abos und Einzelverkauf) finanzieren.

Dass die Abwanderung der Leserinnen und Leser ins Internet und die dadurch sinkenden Zahlen verkaufter Print-Abos und gedruckter Einzelausgaben auch die Einnahmen aus dem traditionellen Print-Anzeigengeschäft zunehmend unter Druck bringen, liegt auf der Hand. Denn wo weniger Leser sind, ist auch der Werbeplatz weniger wert — es ist ein Teufelskreis.

Heute glaubt kaum jemand mehr ernsthaft, dass Einkünfte aus Werbebannern, native Advertising, Sponsored Content & Co., die wegbrechenden Einkünfte aus dem Print-Anzeigengeschäft werden kompensieren können. Das Problem wird durch den breitflächigen Einsatz von Ad-Blockern weiter akzentuiert. Ad-Blocker sind Filter, die im Browser automatisch Werbebanner und Pop-ups unterdrücken und so verhindern, dass Nutzer die Werbung (u.a. auf Newssites) überhaupt sehen.

Wie schon in unserem Bericht zum Reuters Digital News Report 2016 beschrieben, macht den Verlagen zu schaffen, dass in Deutschland und Österreich bereits jeder vierte Nutzer einen solchen Ad-Blocker nutzt, in der Schweiz immerhin jeder Fünfte.

Durchschnittliches Jahresbudget für Onlinemedien nach Land. Grafik: blueReport

Doch nicht nur tiefere Einkünfte aus dem Anzeigengeschäft bereiten Verlegern Sorge, sondern auch die nach wie vor tiefe Bereitschaft der Leserschaft, für Online-News zu bezahlen. Im letzten Jahr lagen die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Onlinenews gemäß Reuters Digital News Report für die Länder des DACH-Raums zwischen 46€ und 90€.

Kommt hinzu, dass in Deutschland, Österreich und der Schweiz gerade mal 10% der Befragten bereit waren, überhaupt für Onlinecontent Geld auszugeben.

Prozentsatz der Befragten Leute pro Land, die für Onlinecontent Geld ausgeben. Quelle: http://www.digitalnewsreport.org/

Über 120 deutsche Zeitungen setzen auf Paid Content

Gemäß dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. verbergen aktuell 123 Zeitungen ihren Content (oder Teile des Contents) hinter einer mehr oder weniger starren Paywall. Auch in der Schweiz (z.B. Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Neue Zürcher Zeitung) und in Österreich (Falter, Kleine Zeitung, Vorarlberger Nachrichten) setzen verschiedene Zeitungen auf eine Bezahlschranke.

Welche Arten von Paywalls gibt es?

  1. Hard Paywall
    Bei einer Hard Paywall sind sämtliche Inhalte hinter einer Bezahlschranke verborgen. Um Inhalte abrufen zu können, muss der Nutzer einen kostenpflichtigen Zugang kaufen. Harte Bezahlschranken sind bei hiesigen Tageszeitungen eher selten anzutreffen, das Risiko dass Leser ihre Daily News anderswo holen scheint vielen Verlegern als zu gross. In Nischenbereichen und ausgewählten Fachmedien scheint eine Hard Paywall bessere Erfolgschancen zu haben, weil die Informationen nicht so einfach und kostenlos an einem anderen Ort konsumiert werden können.
  2. Soft Paywall
    Bei einer Soft Paywall, oft auch «Freemium» genannt, sind nur einzelne Inhalte kostenpflichtig, das Gros der Artikel ist frei verfügbar. In der Praxis können die Leser also die meisten ohne Anmeldung und Abo lesen. Nur ausgewählte Premium-Inhalte befinden sich hinter der Bezahlschranke. Bei solchem Premium-Content ist oft der erste Abschnitt der Texts frei zugänglich, wenn man den ganzen Artikel lesen möchte, muss man entweder ein Abo abschließen oder den einzelnen Artikel erwerben. Soft Paywalls machen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen mit Metered Paywalls den Löwenanteil aller Bezahlschranken aus.
  3. Metered Paywall
    Eine Metered Paywall ist spezielle Ausprägung einer Soft Paywall. Der Verleger definiert hierbei eine maximale Anzahl an Artikeln, die während einer Zeitperiode (üblicherweise pro Monat) kostenlos gelesen werden kann. Wie viele Artikel jemand bereits gelesen hat, wird zumeist mithilfe von JavaScript und Cookies getrackt. In Einzelfällen wird bereits für die Ansicht des Gratis-Artikel-Kontingents eine kostenfreie Registrierung verlangt. Dies vereinfacht für die Zeitung das Zählen der Zugriffe pro Nutzer bzw. erschwert das Umgehen von Paywalls, z.B. durch Löschen von Cookies oder die Anwendung bestimmter Browser-Extensions.
  4. Spenden-Modell
    Beim Spenden-Modell erfolgt eine freiwillige Zahlung pro Artikel. Jeder Nutzer kann selbst entscheiden, wie viel ihm ein Artikel wert ist. Im DACH-Raum ist dieses Modell kaum verbreitet, Ausnahmen bilden beispielsweise die taz (die Einführung unter den Bezeichnungen «Paywahl» bzw. «taz-zahl-ich» fanden einigen medialen Widerhall) oder die Zeitung Neues Deutschland.

Ein weiteres Experiment zur Finanzierung von journalistischen Inhalten hat das niederländische Unternehmen Blendle vor einigen Jahren gestartet (wir haben darüber berichtet): Mit seinem Digitalkiosk-Modell will Blendle dem Qualitätsjournalismus im Internet eine Plattform bieten. Das Ganze funktioniert nach dem iTunes-Prinzip. Einzelne Artikel gibt es zum Stückpreis. Mitte 2016 fiel das Blendle-Fazit in Deutschland gemäß meedia.de allerdings noch ernüchternd aus.

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